Räuber aus Skythien – Räuber der Nordsee in neuem Gewand
„Räuber aus Skythien“ beim Schwerkraft Verlag erschienen, ist ein Worker-Placement-Spiel für 1 bis 4 Spieler von Shem Phillips.
Wir wollen den Anführer des Räuberstammes aus Skythien am meisten beeindrucken und stellen dafür eine schlagkräftige Truppe auf, um griechische, persische und assyrische Gebiete zu plündern.
Ein Blick in die Spieleschachtel
„Räuber aus Skythien“ kommt in der bekannten Schachtelgröße daher und ich bin immer wieder erstaunt wie es dann doch gelingt, das ganze Spielmaterial da hinein zu bekommen. Die Qualität des Materials ist auf hohem Niveau und bei den Holztoken gefallen mir insbesondere Kumis und Proviant richtig gut. Die weiteren Holztoken müssen natürlich die gleiche Form haben, da das Ziehen aus dem Beutel ansonsten sinnfrei wäre. Die zahlreichen Karten weisen tolle Illustrationen auf und die beiliegenden Spielertableaus sind spitze.
Die Anleitung ist toll geschrieben und es reicht ein einmaliges Lesen, um mit dem Spiel beginnen zu können.
Das Spielsystem
Zunächst entscheidet man sich gemeinsam für eine der vier Jahreszeiten. Auf die Unterschiede gehe ich später noch kurz gesondert ein. Für die erste Partie empfiehlt die Anleitung, sich für den Frühling zu entscheiden. Jeder Mitspieler erhält nun ein entsprechendes Blatt und die beiden Würfel werden bereitgelegt. Der Startspieler sucht sich nun als erstes ein Startfeld aus. Im Uhrzeigersinn wählen nun alle Spieler ein anderes Startfeld. Nun kann das Spiel auch schon losgehen.
Das Spielsystem von „Räuber aus Skythien“ ist super schnell verinnerlicht.
Ein Genuss aber auch eine sehr zentrale
Entscheidung ist schon der Beginn des Spiels. Es wird nämlich, in Spieleranzahl plus 1, eine Kombination aus Helden- und Bandenkarte ausgelegt. In umgekehrter Spielerreihenfolge wird nun eine Kombination gewählt. Jeder Held verfügt über eine bestimmte Fähigkeit, die im Rahmen der Dorfplatzaktion genutzt werden kann. Dies ist ein guter Moment, um einen genaueren Blick auf die Karten zu werfen.
Die Zahl beim Zelt stellt den Stärkewert des Bandenmitglieds dar. Stärke ist elementar für eure Raubzüge. Direkt darunter befindet sich eine Anzahl an Münzen. Dies sind die Kosten, um das Bandenmitglied anzuheuern. Des Weiteren finden wir unten auf der Karte links noch die Dauerfähigkeit des Räubers und rechts daneben noch die Fähigkeit die ausgelöst wird, wenn diese Karte via Dorfplatzaktion auf den Ablagestapel gelegt wird. Im Falle eines zugewiesenen Adlers wird die Fähigkeit aktiv, ohne dass ihr die Karte abwerfen müsst.
Fähigkeiten sind enorm wichtig und ihr solltet beim Zusammenstellen eurer Bande immer auf diese achten. So gibt es, zum Beispiel, Karten die euch von nun an zusätzliche Siegpunkte oder weniger Wunden beim Plündern einer bestimmten Region bringen oder Karten, die euch zusätzliche Stärke bringen. Ich versuche in meinen Partien immer Räuber in meine Bande zu bringen die mir zusätzliche Siegpunkte beim Plündern bringen und welche, die mir weniger Wunden zufügen. Wenn es euch hier gelingt eine Kombination, also beide Faktoren beziehen sich auf die gleiche Region, zu bekommen, ist dies schon einmal eine sehr gute Basis für eure Plünderung.
Sehr interessant sind auch die Fähigkeiten, die durch die Dorfplatzaktion aktiviert werden. Diese bieten sehr interessante Spielmöglichkeiten. So gibt es, zum Beispiel, Karten, die es euch ermöglichen Bandenmitglieder zu tauschen oder eine Gebäudeaktion zu nutzen, als hättet ihr einen Arbeiter dort eingesetzt.
Grundsätzlich entscheidet der Spieler in seinem Zug ob er einen Arbeiter einsetzen möchte, um die entsprechende Dorfaktion durchzuführen oder ob er auf einen Raubzug gehen möchte.
Setzt der Spieler einen Arbeiter ein, führt er anschließend sofort die entsprechende Aktion durch. Anschließend nimmt er einen Arbeiter von einem anderen Aktionsfeld in den persönlichen Vorrat und führt die Aktion des entsprechenden Ortes aus. Beachtet auf den Feldern immer die Farbe des Arbeiters, da nicht alle Arbeiter alle Aktionen durchführen können oder unterschiedliche Farben unterschiedliche Erträge geben.
Die Ikonografie der Aktionen ist sensationell gut und (fast) selbsterklärend. Ich werde daher nun nicht auf alle Aktionen eingehen. So erhaltet ihr, zum Beispiel, in der Silberschmiede Geld, auf dem Bauernhof Proviant oder im Versammlungszelt neue Bandenmitglieder.
Alternativ könnt ihr euch für die Aktion des Plünderns entscheiden. Um diese Aktion wählen zu können, müsst ihr die nötigen Voraussetzungen erfüllen, die unter der Siedlung angegeben sind. Ihr benötigt immer einen Arbeiter der entsprechenden Farbe, eine ausreichend große Bande und genug Proviant und Wagen. Den Arbeiter platziert ihr auf dem entsprechenden Feld und Proviant und/oder Wagen kommen in den allgemeinen Vorrat zurück.
Optional könnt ihr Kumis abgeben. Jeder abgegebene Kumis bringt euch einen Stärkepunkt.
Nun geht es an die Ermittlung der
Stärke. Diese erfolgt durch Würfeln. Die Anzahl der roten und weißen Würfel ist an der Seite für jede Zivilisation angegeben. Ob und wie viele gelbe Würfel ihr zusätzlich werfen müsst ist vom Gold abhängig, welches sich ggfs. auf den Beutefeldern, jede Siedlung weist 2 Beutefelder auf - befindet. Für jedes Beutefeld mit Gold müsst ihr einen gelben Würfel werfen. Gelbe Würfel bedeuten immer den Nachteil, dass diese keine Zahlen sondern nur Wunden aufweisen. Sehr gelungen ist es, dass unten auf dem Spielbrett einmal alle möglichen Würfelseiten angegeben sind. Dies ist hervorragend geeignet, um seine Möglichkeiten durchzurechnen.
Die Stärke setzt sich nun zusammen aus der Anzahl an gezahltem Kumis, aus dem Würfelergebnis sowie aus der Stärke der Bandenmitglieder und Tiere. Beachtet unbedingt immer auch noch die Fähigkeiten eurer Bandenmitglieder, da ihr hier ggfs. noch zusätzliche Stärke erhaltet.
Das Ergebnis bestimmt nun die Anzahl eurer Siegpunkte. Sollte euch ein ganz schlechter Wurf „gelingen“ erhaltet ihr Wunden. Dies ist in meinen Spielen allerdings nie vorgekommen.
Natürlich verläuft kein Kampf ohne Wunden. Wie viele Wunden ihr erleidet erkennt ihr auch an den Würfeln. Addiert einfach die Wunden und verteilt sie dann beliebig auf eure Bande. Ein Bandenmitglied verträgt immer so viele Wunden wie er Stärke aufweist. Sinkt diese unter 0, stirbt das Bandenmitglied. Jede Wunde reduziert eure Stärke bei der nächsten Plünderung. Beachtet dies immer, heilt eure Mitglieder rechtzeitig und rechnet vor jeder Plünderung aus, wie viele Wunden ihr noch in Kauf nehmen könnt. Auch hier kann man aufgrund gewisser Fähigkeiten von Räubern taktisch spielen und bewusst den Tod in Kauf nehmen, um die Belohnung aufgrund der Fähigkeit zu erhalten.
Nun wählt ihr eines der zur Verfügung stehenden Beutefelder, nehmt euch die Ressourcen sowie den entsprechenden Arbeiter und deckt ggfs. den Auftrag auf, der von nun an erledigt werden kann.
Plünderungen sind das wesentliche Spielelement, um Siegpunkte zu bekommen. Plündert daher was das Zeug hält. Vernachlässigt aber auch nicht die Aufträge, durch deren Erfüllung ebenfalls viele Punkte generiert werden können.
Sobald es nur noch 2 nicht geplünderte Siedlungen oder Aufträge gibt, wird das Spielende ausgelöst. Der Spieler, der das Spielende ausgelöst hat beendet seinen Zug und nun hat jeder Spieler, inkl. ihm selbst, noch einen Zug.
Anschließend gibt es noch Siegpunkte für Bandenmitglieder, Tiere, Aufträge und überzählige Ressourcen und dann zeigt sich, wer den Anführer des Stammes am meisten begeistern konnte.
Die Tiere
Der Einsatz von Adler und Pferd stellen ein interessantes und taktisches Spielelement dar. Tiere erhaltet ihr durch die Stall-Aktion. Jedem Bandenmitglied könnt ihr ein Pferd und einen Adler zuweisen. Somit könnt ihr maximal über 5 Pferde und 5 Adler verfügen.
Ihr habt immer die Auswahl zwischen den drei offen ausliegenden Karten. Nimmt ein Spieler eine Karte, so wird wieder auf 3 Karten aufgefüllt. Ihr weist dem Tier einen verfügbaren Kartenslot zu. Das Tier muss nicht direkt einem Bandenmitglied zugewiesen werden. Beachtet aber, dass ein einmal gelegtes Tier nicht mehr verlegt werden kann – es sei denn, ein Karteneffekt erlaubt dieses. Auch werden die Fähigkeiten nur aktiv, wenn es einem Bandenmitglied zugewiesen ist.
Pferde bringen euch Siegpunkte und Stärke beim Plündern wohingegen die meisten Adler entweder die Dauerfähigkeit verdoppeln oder die Kartenfähigkeit als Dorfaktion zur Verfügung stellen. In diesem Fall könnt ihr nun die Fähigkeit nutzen, ohne die Karte abwerfen zu müssen.
Die Idee mit den Tieren gefällt mir ausgesprochen gut. Zum einen bereichert diese das Spiel ungemein und zum anderen bringt sie neue taktische Möglichkeiten mit sich. So kann man, zum Beispiel, gezielt darauf spielen, die Fähigkeit des zusätzlichen Siegpunkterhalts beim Plündern einer bestimmten Region zu verdoppeln und dort dann schnell plündern, um das Tier möglichst profitabel zu nutzen.
Die optimale Spieleranzahl
Konzipiert ist das Spiel für 1 bis 4 Spieler. Auf den Solo-Modus gehe ich später kurz separat ein.
Eine Anpassung aufgrund der Spielerzahl erfolgt durch die Anzahl der zur Verfügung stehenden Beutefelder. Diese Anpassung ist klasse und sorgt dafür, dass sich das Spiel in allen Gruppengrößen gleich gut spielt. Auch der Spaßfaktor des Spiels hängt nicht von der Spielerzahl ab.
Auch an die Solo-Spieler wurde gedacht
und diesem Spiel liegt direkt ein Solo-Deck bei welches aus 14 Plankarten und 2 doppelseitig bedruckte Bandenkarten besteht, anhand derer der Schwierigkeitsgrad des Spiels bestimmt wird.
Das Solo-Spiel ist perfekt und macht großen Spaß. In meiner persönlichen Lieblingsliste hat es sich bis in die obersten Ränge gespielt. Dies liegt daran, dass es sich einfach super schnell und flüssig spielt. Ich mag keine Solo-Spiele bei denen der Zug des Gegners super kompliziert gestaltet ist und man für diesen eine gefühlte Ewigkeit benötigt.
Dies ist hier ganz einfach. Es wird die nächste Plankarte aufgedeckt und anschließend, von oben nach unten, geprüft, ob der Gegner alle Voraussetzungen zur Plünderung erfüllt. Erfüllt er eine Voraussetzung nicht, so greift der rechts daneben angegebene Effekt. Des Weiteren ist auf der Solo-Karte immer ein Ort angegeben der blockiert ist, solange die Karte offen ausliegt.
Vier unterschiedliche Schwierigkeitsgrade sorgen dafür, dass das Spiel eine sehr lange Zeit nicht langweilig wird. Insgesamt fand ich diesen Solo-Modus um einiges einfacher als den von "Räuber der Nordsee".
Ein Kauf lohnt sich auch für alle, die es als reines Solo-Spiel spielen möchten.
Fazit
Vor dem Kauf muss einem klar sein, dass dies eine Neuauflage des Spiels „Räuber der Nordsee“ ist, die sich in neuem Gewand präsentiert. Prinzipiell kann man sagen, dass es wie „Räuber der Nordsee“ mit Tieren und Elementen der Erweiterungen ist. Der größte Unterschied ist die Präsentation des Spiels. Der farbenfrohe Stil der Nordsee-Saga wird hier nicht verwendet. Ich persönlich mag die eher „nüchterne“ Farbgestaltung. Aber das ist Geschmackssache.
Wer braucht nun dieses Spiel ist wohl
eine der zentralen Fragen. Hier muss man ehrlich sagen, dass jemand der „Räuber der Nordsee“ inklusive Erweiterungen besitzt, sich genau überlegen sollte, ob er zu diesem Spiel greift, da es sich eben komplett gleich spielt. Hat man allerdings „nur“ das Grundspiel und möchte tiefer in die Saga einsteigen so kann man sich überlegen, ob man zu diesem Spiel greift, da die Solo-Karten gleich enthalten sind, die angesprochenen Tiere dazu kommen und durch die Wunden auch Elemente der Erweiterung implementiert sind. Gleiches gilt auch dann, wenn man "Räuber der Nordsee" nicht in seiner Sammlung hat.
Schlussendlich gibt es hier aber wohl kein richtig oder falsch. Es ist eine Frage des Geschmacks.
„Räuber aus Skythien“ an sich ist ein leicht zu lernendes und zügig „wegzuspielendes“ Worker-Placement-Spiel mit fast keiner Downtime, welches durch einen guten Mechanismus besticht. In meinen Partien lag die Spieldauer immer bei ca. 75 bis 120 Minuten. Die angegebenen 60 Minuten habe ich nie geschafft. Durch die sehr zugänglichen Regeln können sich an diesem Spiel auch problemlos Familienspieler versuchen, die einen Einstieg in den Bereich der Kennerspiele finden wollen. Ich würde es als seichtes Kennerspiel einordnen.
Schon der Beginn, mit dem Auswählen
der Kombination aus Held und Bandenmitglied, ist erstklassig. Anschließend ist man dann erst einmal damit beschäftigt, sich die notwendigen Ressourcen zu beschaffen, um eine schlagkräftige Bande zusammenzustellen, die dann erfolgreich bei den Plünderungen sein soll, zu denen es dann auch recht schnell kommt. Hier spielt natürlich auch das Würfelglück eine kleine Rolle. Hier sind auch unterschiedliche Taktiken möglich, denn je weiter man Reisen möchte, desto höher sind auch die Voraussetzungen aber umso lukrativer fällt der Beutezug auch aus.
Einziger Kritikpunkt meinerseits ist, dass das Spiel doch sehr repetitiv ist. Man stellt seine Bande zusammen, geht anschließend plündern und bereitet dann den nächsten Raubzug vor - man leckt also seine Wunden und beschafft sich die nötigen Ressourcen. Mich persönlich stört das überhaupt nicht, denn ich stelle meine Bande um, schaue wo ich Tiere am besten einsetzen kann und erfülle Aufträge.
Mir persönlich gefällt „Räuber aus Skythien“ richtig gut und es erhält eine klare Empfehlung.
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