Brazil Imperial
„Brazil Imperial“, als deutsche Ausgabe bei Giant Roc erschienen, ist ein Spiel mit Worker-Placement-Mechanismus für 1 bis 4 Spieler Spieler ab 14 Jahren von Zé Mendes.
Wir befinden uns in der „Neuen Welt“ und möchten unserer Reich zum erfolgreichsten machen. Dazu müssen wir unser Territorium erweitern und Armeen auf Expeditionen schicken. Es werden Städte gebaut und Bildung sowie Wissenschaft halten Einzug. Doch wir werden auch auf rivalisierende Reiche treffen, die das Land ebenfalls für sich beanspruchen.
Zu der Problematik der Thematik (Freunde, spielt es einfach oder lasst es) werde ich zu Beginn meines Fazits eingehen.
Ein Blick in die Spieleschachtel
Das Spielmaterial ist umfangreich. Das Pappmaterial ist super dick und die zahlreichen Holztokens sind alle schön geformt. Lediglich die Anzahl in einer 4-Spieler-Partie lässt dann bei Zuckerrohr, Kaffeebohnen und Brasilholz doch zu wünschen übrig. Ein wenig mehr Tokens hätten es sein gedurft, da man sich so immer mit den Markern behelfen muss, was einfach nicht schön ist. Des Weiteren finde ich es ein wenig komisch, dass die Einer-Wasserfelder kleiner sind als die Dreier-Wasserfelder. Ansonsten ist das Material wirklich toll.
Lobend muss man auch die Anleitung erwähnen. Für ein Spiel mit diesem Komplexitätsgrad genügt ein einmaliges konzentriertes Lesen, um mit dem Spiel starten zu können. Anschließend muss man dann nur noch Detailregeln lesen.
Das grundlegende Spielsystem
„Brazil Imperial“ ist ein komplexes Spiel, welches sich aber super flüssig spielt, wenn man das Spiel komplett verstanden hat. Für die erste Regelerklärung sollte man schon gut 45 Minuten einplanen. Anschließend kann man dann aber schon eine spannende erste Partie spielen. Natürlich wird man in der Einstiegspartie noch nicht alle Highscores brechen, da es ein wenig Zeit braucht, um die ganze Verstrickungen der einzelnen Aktionsmöglichkeiten zu durchschauen. Auch der Platz auf dem Tisch muss berücksichtigt werden, da das Spiel ein wenig davon benötigt. Aufgrund der Komplexität werde ich nur kurz auf die wesentlichen Regelaspekte eingehen, um euch einen Eindruck zu geben, ob das Spiel für euch und eure Gruppe eine lohnende Anschaffung ist.
Zu Beginn des Spiels entscheiden wir uns zunächst für ein Szenario. Bei 2 Spielern stehen euch 2 unterschiedliche Szenarien zur Verfügung, wohingegen ihr bei 3 oder 4 Spielern aus 3 unterschiedlichen Szenarien wählen könnt. Je nach Wahl ist das Szenario mehr oder weniger konfliktträchtig. Selbstverständlich steht es euch frei, eigene Aufstellungen auszuprobieren, was für viel Spaß sorgt und weshalb ich die Anzahl der Szenarien gut verschmerzen kann, auch wenn ich mir 4 je Spieleranzahl gewünscht hätte.
Nun entscheidet sich jeder Spieler noch für eine der 4 zur Verfügung stehenden Nationen. Bei jeder Nation. stehen euch 2 unterschiedliche Anführer zur Verfügung - eine Ausnahme stellt Brasilien dar, wo ihr aus 4 Charakteren wählen dürft. Diese Anführer gewähren euch dann individuelle Vorteile. Auf diese solltet ihr eure Starttaktik dann natürlich ausrichten. Des Weiteren sind Aufstellungen und Kosten der Einheiten unterschiedlich. Somit kann man von asymmetrischen Startbedingungen sprechen, was mir persönlich immer sehr gut gefällt.
Bevor wir starten noch kurz ein paar Worte zu Ressourcen und deren Erzeugung. Es gibt mit Zuckerrohr, Kaffeebohnen, Brasilholz und Baumwolle 4 Kulturpflanzen. Des Weiteren gibt es noch Geld, welches bei der Bezahlung jede Kulturpflanze ersetzen kann und Bildung, welche auch Geld ersetzen kann. Gebäude erzeugen beim Bau die mit dem weißen Zahnrad dargelegten Ressourcen. Diese legt ihr direkt auf das Gebäude – sie wandern nicht in euren persönlichen Vorrat. Dies gilt für alle Aktionen, zum Beispiel dem Erneuern, die mit Gebäuden zusammenhängen. Ihr „bezahlt“ Ressourcenkosten also einfach indem ihr welche von euren Gebäuden nehmt. Erhaltet ihr über andere Aktionen Ressourcen, so platziert ihr diese auf eurem Spielertableau – hier gilt allerdings ein Limit von 5 Ressourcen.
Das Spiel gliedert sich in 3 Epochen. Innerhalb jeder Epoche gilt es bestimmte Zielvorgaben zu erfüllen, um in die nächste Epoche „aufzusteigen“. Innerhalb jeder Epoche dürft ihr nur die zur Epoche gehörenden Gebäude und die von bereits absolvierten Epochen bauen. Grundsätzlich befinden sich immer alle Spieler in der gleichen Epoche. D. h., dass alle Spieler in der zweiten Epoche sind, sobald auch nur ein Spieler seine Anforderungen für die zweite Epoche erfüllt hat. Die anderen Spieler dürfen trotzdem noch ihre Aufgabenkarten von den vorherigen Epochen erfüllen und können so die Siegpunkte einstreichen und ihren Palast bauen. Paläste sind sehr wichtig. Seht daher zu, dass ihr eure Epochenkarten erfüllt. Auf welche der Wirtschaften ihr euch dann konzentriert, hängt von eurer gewählten Strategie ab.
Grundsätzlich gliedert sich ein Spielzug lediglich in die Aktions- und Bewegungsphase. Zur Aktionsdurchführung schiebt ihr euren Aktionsmarker einfach von einem auf das andere Feld, so dass ihr also niemals zweimal hintereinander die gleiche Aktion durchführen könnt. Insgesamt stehen euch 7 unterschiedliche Aktionen zur Verfügung – davon werdet ihr einige selten bis gar nicht und andere hingegen sehr oft nutzen.
Anschließend folgt die Bewegungsphase. In dieser steht euch eine freie Bewegungsaktion zur Verfügung – natürlich erst dann, wenn ihr eine Einheit auf dem Spielfeld habt, was ein primäres Ziel zu Spielbeginn sein muss, um die Welt erkunden zu können. Ihr schiebt eine Einheit einfach von einem auf ein angrenzendes Feld, welches auch ein Wasserfeld sein darf. Außerdem erlaubt die in der Aktionsphase gewählte Aktion euch noch eine zusätzliche Bewegung, die ihr vor oder nach der freien Bewegung durchführen könnt. Habt ihr, zum Beispiel, in der Aktionsphase gebaut, so dürft ihr als zusätzliche Bewegung eine Einheit auf eine angrenzende Stadt oder ein angrenzendes Gebäude verschieben.
Im Rahmen der Aktionen möchte ich mit dem „Herstellen“ beginnen. Jede Aktion kann durch ein entsprechendes Produkt verbessert werden. Ihr bezahlt dafür einfach die unter dem Produkt angegebenen Ressourcen und legt das Produkt dann auf das Feld der Aktion die ihr verbessern wollt. Beachten müsst ihr allerdings, dass das Produkt auch die passende Form haben muss. Es sei denn, dass ihr vorher im Rahmen der Aktion „Gemälde erwerben“ das Gemälde erworben habt welches es euch erlaubt, jedes Produkt auf jedes Feld zu platzieren. Dieses Gemälde empfiehlt sich insbesondere in einer frühen Phase des Spiels.
Über die Aktion "rekrutieren" kommen unsere Einheiten in das Spiel. Hier ist insbesondere der Commandante wichtig, da nur dieser euch den Bau von Städten ermöglicht. Des Weiteren dürft ihr noch eine Kampfkarte ziehen. Diese bieten euch, zum Beispiel, zusätzliche Kampfstärke im Rahmen des Angriffs oder der Verteidigung. Mit Einheiten könnt ihr eigene Städte schützen und auch eure Gegner angreifen. Auf das Kampfsystem gehe ich später gesondert ein.
Im Rahmen der Aktion „Gemälde erwerben“ könnt ihr eines der 6 ausliegenden Gemälde erwerben. Von nun an profitiert ihr vom entsprechenden Effekt. In eigentlich allen meinen Partien bin ich extrem auf Gemälde gegangen – insbesondere dann, wenn es noch zusätzliche Siegpunkte gibt, solltet ihr „zuschlagen“.
Das "Bauen" ist mit Sicherheit eine der Aktionen, die ihr am häufigsten nutzen werdet. Dazu bezahlt ihr einfach die Kosten und platziert das Gebäude. Ausgenommen der Städte dürfen Gebäude nur angrenzend gebaut werden und erzeugen mit dem Bau sofort die entsprechenden Ressourcen. Beachten müsst ihr auch immer das erforderliche Gelände.
Dann gibt es die Aktion „Erneuern“. Beachtet unbedingt, dass ihr diese Aktion nur bei einem Gebäude durchführen könnt, auf welchem sich keine Ressourcen mehr befinden. Es stehen euch 2 unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung. Entweder legt ihr die Ressourcen die das Gebäude produziert wieder auf das Gebäude oder ihr dreht das Gebäude um und habt dann ein anderes Gebäude und legt die entsprechenden Ressourcen dann auf das Gebäude. Aus meiner Erfahrung heraus, solltet ihr diese Aktion schnellstmöglich verbessern, damit euch die Durchführung keine Ressource kostet.
Die Aktion „Hafen“ ermöglicht euch das Nehmen einer beliebigen Kulturpflanze, die ihr in euer Lager legt.
Dann wäre da noch die Aktion „Markt“, die euch unterschiedliche Tauschoptionen bietet. Ich persönlich habe diese Aktion lediglich ein oder zweimal genutzt.
Das Spielende wird ausgelöst, sobald ein Spieler die Aufgaben der Epoche 3-Karte vollständig erfüllt hat. Anschließend wird die laufende Runde noch zu Ende gespielt.
Nun erfolgt die Schlusswertung. Nutzt hier entweder den beiliegenden Wertungsblock oder einen eigenen Zettel, da man ansonsten schnell durcheinanderkommen kann.
Das Kampfsystem
Nachfolgend möchte ich ein paar Worte zum Kampfsystem verlieren. Ihr startet das Spiel komplett ohne irgendeine Einheit. Diese müsst ihr erst erwerben. Sehr gut gefällt es mir, dass ihr eure Strategie sowohl aggressiv als auch defensiv ausrichten könnt. Ihr seid nicht gezwungen anzugreifen und Städte oder Gebäude zu besetzen. Ihr könnt auch einfach nur Einheiten als Schutz platzieren. Allerdings solltet ihr definitiv Einheiten bauen da diese zum einen Siegpunkte bringen und zum anderen wird euch euer Gegner überrennen, wenn ihr keine Schutztruppen platziert. Je nach gewähltem Szenario ist das Konfliktpotential von Beginn der Partie an allerdings mal höher und mal niedriger.
Eure Kampfstärke (Gebäude, Einheiten oder Städte) ist identisch mit dem Wert an Siegpunkten. Die Kampfstärke könnt ihr durch Gemälde, Kampfkarten und den Bonus einiger Aktionsfenster erhöhen. Es gewinnt der Spieler mit dem höchsten Wert – bei Gleichstand gewinnt der Verteidiger.
Der Verlierer des Kampfs muss alle Einheiten vom Spielfeld entfernen. Wichtig ist es, dass ihr diese nicht wieder auf euer Tableau, sondern in euren persönlichen Vorrat stellt. Ihr müsst geschlagene Einheiten also nicht erneut kaufen.
Gewinnt die angreifende Partei, so kontrolliert der Spieler nun diese Stadt bzw. dieses Gebäude und darf auf eventuell dort liegende Ressourcen zurückgreifen. Des Weiteren fallen ihm die Siegpunkte zu, falls die Kontrolle zum Spielende immer noch vorliegt. Wichtig ist, dass kontrollierte Gebäude oder Städte nicht erneuert werden können und man sein eigenes Reich auch nicht angrenzend dort bauen darf.
Die optimale Spieleranzahl
Konzipiert ist „Brazil Imperial“ für 1 bis 4 Spieler. Auf den Solo-Modus gehe ich später kurz gesondert ein. Mir persönlich macht das Spiel in allen Konstellationen großen Spaß.
Ein wenig Zeit sollte ihr einplanen. Die ersten Runden mit zwei Personen können auch gerne mal knapp 2 Stunden in Anspruch nehmen und die ersten Runden mit 4 Personen haben bei uns auch schon knapp über 3 Stunden gedauert. Doch diese Zeit ändert sich dann deutlich, wenn alle Beteiligten mit dem Spiel vertraut sind. Dann spielt sich das Spiel super flüssig und man muss auch nicht andauernd in der Anleitung nachschauen, was denn nun bei dieser oder jener Aktion zu tun ist. Die Dauer pendelt sich dann so bei 75 bis 120 Minuten ein.
Gut gefallen hat mit persönlich auch der Solo-Modus. Leider bietet die Anleitung nur ein einziges Szenario, welches nun einmal höchstens zweimal Spaß macht. Eure Aufgabe ist es die vorgegebenen 3 Ziele vor dem Ende der 20. Runde zu erfüllen. Macht euch unbedingt Rundenstriche, denn ansonsten könnt ihr euch niemals merken, in welcher Runde ihr gerade seid.
Die Regeln gleichen dem des Hauptspiels – ihr seid halt einfach immer am Zug.
Der Schwierigkeitsgrad ist moderat. Ihr müsst eure Taktik allerdings schon ab der ersten Runde komplett ausrichten, denn ansonsten sind die gesteckten Ziele nicht erreichbar.
Fazit
Bevor ich mit meinem eigentlichen Fazit starte ein paar Worte zum Thema. Wer sich ein wenig mit dem Spiel beschäftigt hat wird wissen, dass es ursprünglich bei Hans im Glück erscheinen sollte. Doch der Verlag ist sehr vorsichtig mit Themen, die Kolonialisierung betreffen. Wenn man einmal kurz einen Blick in die englische Anleitung wirft und sich das Vorwort anschaut, so wird dem Spieler auch sehr deutlich gemacht, dass man Eroberer ist und sich Brasilien Untertan machen soll. Dies ist in der deutschen Ausgabe deutlich abgeschwächter und auch das Team von Giant Roc geht in seinem Vorwort auf einige Aspekte kurz ein. Meine persönliche Meinung dazu ist, dass man sich natürlich beim Spielen bewusst sein muss, was in der Vergangenheit alles geschehen ist und welche grausamen Taten hier begangen wurden. Ein wenig mit der Geschichte beschäftigen sollte man sich daher. Im Kern bleibt es für mich aber dann doch ein Spiel, welches ich nicht aufgrund der Thematik in irgendeiner Form boykottieren würde oder Spielern irgendwas unterstellen würde. Wem das nicht gefällt, der spielt das Spiel halt einfach nicht. Ich persönlich finde es nicht gut, andauernd die Moralkeule zu schwingen.
Aber nun zum eigentlich Spiel und das gefällt mir gut. Das Spiel überzeugt mit einem super simplen Spielmechanismus, der sofort verstanden ist. Prinzipiell macht ihr nur eine Aktion und führt anschließend eine oder zwei Bewegungen aus und schon ist der nächste Spieler an der Reihe. Des Weiteren kann man den eigenen Zug recht gut vorbereiten, wenn man denn nicht gerade in eine Kampfsituation verwickelt ist. Dies alles sorgt dafür, dass die Downtime, auch bei 4 Spielern, recht gering ist. Natürlich gibt es auch hier Spielertypen, die alles komplett „zerdenken“ werden.
Trotz dieser Einfachheit ist „Brazil Imperial“ ein Kennerspiel und je öfter man es spielt, desto klarer werden die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Aktionen und man fängt an eine richtige Taktik zu entwickeln, was in den ersten zwei Spielen noch nicht so der Fall ist. Die Aktionen sind eng ineinander verzahnt und insbesondere in Kombination mit Gemälden lassen sich schöne Ketten bilden.
Als Kritikpunkt muss ich allerdings den Langzeitspaß ansprechen. Ich persönlich finde, dass ich bei „Brazil Imperial“ mittlerweile alles erlebt bzw. gespielt habe. Man entwickelt eine Strategie, die ist eher konfrontativ oder eher passiv ausgelegt und „fährt“ diese dann. Nach einigen Partien fühlt es sich an, als ob man nur noch seine Epochen-Karten „abarbeitet“. Mit Sicherheit wird dies bei anderen anders sein. Eine Person bei der es anders ist, ist zum Beispiel meine Frau, die das Spiel wirklich liebt und es sich auch nach zahlreichen Partien nicht leid gespielt hat.
Meine Ansicht auch nicht falsch verstehen, denn „Brazil Imperial“ ist ein gutes Spiel, mit dem ich eine Menge Spaß hatte aber nun muss ich schauen, wann ich es das nächste Mal aus dem Schrank holen werde.
Insgesamt ist „Brazil Imperial“ ein Spiel, bei dem ihr den Kauf nicht bereuen werdet. Wenn ihr allerdings die Möglichkeit des Leihens von einem Freund habt, dann solltet ihr erst einmal diese Option wählen.
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