Formosa Tee – ein Tässchen Tee gefällig?
„Formosa Tee“, auf Deutsch lokalisiert bei Strohmann Games erschienen, ist ein Workerplacement-Spiel für 2 bis 4 Spieler ab 12 Jahren von Kao Chu Lan.
Als Besitzer einer Teefarm streben wir nach höchstem Ansehen. Wir versuchen die besten Teeblätter zu ernten, unsere Teeverarbeitungstechologien zu verbessern und den heimischen sowie den internationalen Markt zu erschließen.
Ein Blick in die Spieleschachtel
Schon die Illustration der Spieleschachtel ist ein echter Hingucker und sorgt für Vorfreude. Das Spielmaterial passt sich diesem Ersteindruck an und ist sensationell gut. Sämtliche Pappmaterialien sind super dick, die Karten fühlen sich klasse an und sind ebenfalls hervorragend illustriert.
Nicht ganz so gelungen finde ich die Anleitung, die man schon öfter lesen muss, um in das Spiel vernünftig einsteigen zu können. Hier sind einige Passagen recht unglücklich geschrieben und Fragen bleiben offen. Auch wenn die Ikonografie sehr gelungen ist, wäre eine Spielerhilfe oder zumindest das Abdrucken der entsprechenden Symbole auf der letzten Seite der Anleitung eine gute Wahl gewesen. So muss man, zumindest in den ersten zwei Partien, immer wieder in der Anleitung herumblättern.
Das Spielsystem
Das Spielsystem ist, wenn man sich einmal durch die Anleitung „gequält“ hat, sehr verständlich und bereits nach einigen Zügen ist man tief im Geschehen drin.
Der Aufbau des Spiels ist zügig
abgeschlossen. Vor Spielbeginn müsst ihr euch entscheiden, ob ihr mit oder ohne Charakter spielen möchte. Jeder Charakter weist eine individuelle, sehr starke Fähigkeit auf. Aus meiner Sicht ist es nur eine Frage des Geschmacks, wofür ihr euch entscheidet. Es ist nicht spielentscheidend ob ihr mit oder ohne einen Charakter spielt.
Der aktive Spieler platziert einen seiner Arbeiter oder den Teemeister, auf diesen gehe ich gesondert ein, und führt den Effekt des entsprechenden Feldes durch.
So könnt ihr einen Arbeiter auf der Teeplantage einsetzen und ernten. Entweder nehmt ihr alle gleichfarbigen Teewürfel oder einen Würfel jeder Farbe. Wenn ihr durch diese Aktion den letzten Würfel nehmt, dürft ihr zusätzlich noch die Blütenknospe nehmen, welches für die Aromatisierung von Bedeutung ist. Die geernteten Teeblätter legt ihr in den euren Korb mit der entsprechenden Feuchtigkeit. Beachtet hierbei immer das Limit von 6 Teewürfeln. Nach dieser Aktion wird geprüft ob ein Spieler eine Teemeister in der entsprechenden Spalte eingesetzt hat. Auf die dann folgenden Aktionen gehe ich ebenfalls gesondert ein.
Des Weiteren könnt ihr eure Arbeiter noch am heimischen oder am globalen Markt einsetzen, um dort Tee zu verkaufen.
Nach einigen Partien ist für mich der globale Markt das wichtigste Spielelement, um Siegpunkte zu sammeln und sticht den heimischen Markt aus. Zumindest dann, wenn ihr mindestens Tee der Qualitätsstufe „normal“ verkauft.
Neben dem Spielbrett liegen die Händlerkarten aus, deren Wünsche es zu erfüllen gilt. Durch die „normale“ Aktion könnt ihr nur die am weitesten rechtsliegende Karte der 4 Reihen erfüllen. Ihr liefert einfach die entsprechende Anzahl an Tee aus eurem Lager und erhaltet die Siegpunkte. Diese differieren aufgrund der Qualität, die euer gelieferter Tee hat. Des Weiteren könnt ihr anschließend noch die Bonusaktion des Feldes in Anspruch nehmen. Über den globalen Markt generiert ihr die Masse eurer Siegpunkte. Hier solltet ihr auch immer beachten, dass ihr euch auf der Technologieleiste fortbewegt, da ihr am Ende des Spiels noch zusätzliche Siegpunkte je Händlerkarte der jeweiligen Technologieleiste erhaltet. Dies kann, entsprechende Planung vorausgesetzt, auch noch einmal sehr viele Punkte bringen.
Dann gibt es noch die Möglichkeit, dass ihr euren Tee am heimischen Markt verkauft. Hier könnt ihr entweder 2 Tee-Würfel der gleichen Sorte oder 3 unterschiedliche Tee-Würfel abgeben. Anschließend zieht ihr euren Marker 2 oder 3 Felder weiter vor. Neben diversen Bonusaktionen oder Aktionsscheiben erhaltet ihr am Ende des Spiels noch Siegpunkte. Diese Aktion eignet sich insbesondere für Tee schlechter Qualität. Um hier wirklich viele Siegpunkte zu bekommen, müsst ihr jedoch schon einige Male am lokalen Markt verkaufen.
Die Runde endet, wenn alle Spieler gepasst haben oder passen mussten. Dies ist dann der Fall, wenn kein Arbeiter mehr eingesetzt werden kann und sich kein Teemeister auf dem letzten Feld einer Teeverarbeitungsleiste befindet.
Je nach Spieleranzahl spielt ihr 4, 5 oder 6 Runden. Hier liegen dem Spiel 11 historische Ereignisse bei, von denen beim Spielaufbau die entsprechende Anzahl gezogen und in die chronologische Reihenfolge gebracht wird.
Die Historischen Ereignisse
Die historischen Ereignisse sind eine klasse Idee und eines der Highlights des Spiels – einfach mal wirklich etwas Anderes als ein „normaler“ Rundenanzeiger. Die Karte liefern interessante Informationen. Doch wichtiger als diese Informationen sind die Effekte, die am Rundenende ausgelöst werden. Des Weiteren beinhalten einige Karten noch zusätzliche Siegpunkte, die am Spielende generiert werden. Schaut euch daher die Karten vor dem Spiel genau an. Sie geben euch auch ein wenig taktische Hilfe für den Einstieg.
Der Teemeister
Der Mechanismus des Teemeisters ist ein sehr interessanter Kniff in diesem Spiel.
Euren Teemeister könnt ihr auf eine der 4 Teeverarbeitungsleisten stellen. Auf den ersten drei Leisten startet ihr so die Produktion des entsprechenden Rohtees (Oolong-, Schwarzer- oder Grüner Tee) und auf der vierten Leiste Aromatee.
Entsprechend eurer gewählten Leiste zur Produktion von Rohtee, auf Aromatee gehe ich gleich gesondert ein, verschiebt ihr alle zugehörigen Würfel von euren Körben in die entsprechende Fabrik. Achtet hierbei auf die Feuchtigkeit. Anschließend aktiviert ihr den Effekt des ersten Feldes, welches immer die Feuchtigkeit reduziert. Bei 3 bzw. 5 Würfeln dürft ihr noch 1 bzw. 2 Felder auf der entsprechenden Technologieleiste vorziehen.
Im Bereich des Aromatees verschiebt ihr 1 bis 6 Würfel einer fertiggestellten Teesorte auf die Teefabrik für Aromatee und dürft den Effekt des ersten Feldes auszuführen.
Habt ihr euren Teemeister
platziert, folgt eine sehr interessante Mechanik. Die weiteren Bewegungen eures Teemeisters erfolgen nämlich nun durch den Einsatz von Arbeitern in der korrespondierenden Reihe. Und das nicht nur durch den Einsatz eigener Arbeiter, sondern auch durch den Einsatz „gegnerischer“ Arbeiter. Hier kann man folglich ein wenig antizipieren, um dadurch eigene Arbeiter zu schonen bzw. um mit ihnen andere Züge durchführen zu können. Wird ein Arbeiter in der korrespondierenden Reihe eingesetzt, so stehen euch zwei Möglichkeiten zur Verfügung. Entweder könnt ihr euren Teemeister um so viele Felder nach vorne bewegen, wie nun Arbeiter in der Reihe stehen und jeden Effekt der Felder nutzen oder ihr könnt direkt auf das letzte Feld springen. Nun kann endlich Tee produziert werden.
Die Teeproduktion und Teeverarbeitungsleisten
Wie dargelegt gelangt euer geernteter Tee von euren Körben in die entsprechende Teefabrik. Um qualitativ hochwertigen Tee zu produzieren, müsst ihr nun die Blätter möglichst trocken bekommen. Die Ausgangstrockenheit wird durch das Wetter auf der entsprechenden Plantage bestimmt. Die weitere Trocknung geschieht über die Teeverarbeitungsleiste, auf der euer Teemeister sich bewegt. Auf jedem Feld reduziert ihr, zum Beispiel durch Dämpfen oder Rollen, die Feuchtigkeit. Des Weiteren müsst ihr auch noch Würfel in den Geschmacksbereich verschieben. Dieser ist eine zwingende Voraussetzung, um Tee guter Qualität herzustellen. Steht der Teemeister auf dem letzten Feld, so könnt ihr diesen vom Spielbrett nehmen und produziert dadurch den entsprechenden Tee. Diesen gibt es in den drei unterschiedlichen Qualitäten – schlecht, normal und gut.
Technologie- und Aktionsscheiben
Indem ihr euch auf den Teeverarbeitungsleisten oder auf dem lokalen Markt weiterbewegt, gelangt ihr in den Besitz von Technologie- und Aktionsscheiben.
Aktionsscheiben könnt ihr einmal, zu einem beliebigen Zeitpunkt in eurem Zug, benutzen und legt sie anschließend in den Vorrat zurück. Technologiescheiben hingehen gehen in euren Besitz über. Diese nutzt ihr in euren Teefabriken.
Aktionsscheiben geben euch eine zusätzliche Aktion. Je nach Scheibe könnt ihr entweder eine Aktion am globalen Markt durchführen oder euren Teemeister auf einer Leiste weiter nach vorne rücken und den Effekt doppelt ausführen.
Technologiescheiben nutzt ihr in euren Teefabriken. Durch ihre Hilfe könnt ihr die Feuchtigkeit weiter reduzieren oder Teewürfel einer bestimmten Feuchtigkeit direkt in den Geschmacksbereich verschieben.
Die optimale Spielerzahl
Konzipiert ist das Spiel für 2 bis 4 Personen. Einen Solo-Modus gibt es leider nicht.
Anpassungen sorgen dafür, dass das Spiel in jeder Besetzungsgröße gut spielbar ist. So kommen lediglich im 4-Personen-Spiel alle Blütenknospenscheiben und alle Wetterplättchen zum Einsatz. Im Spiel mit 2 oder 3 Personen wird die äußerst linke Spalte freigelassen. Im Spiel mit 2 Personen erhalten die Spieler zu Beginn der dritten Runde noch einen weiteren Teemeister, wohingegen bei 3 oder 4 Personen mit einem Teemeister gespielt wird. Des Weiteren differiert die Rundenanzahl.
Die Anpassungen sind alle sehr gut gewählt und sorgen dafür, dass das Spiel in jeder Anzahl großen Spaß macht. Auch auf die Spieldauer hat die Anzahl nur geringen Einfluss. Im Schnitt dauerten meine Partien immer zwischen 70 und 120 Minuten. Mit Sicherheit ist es auch möglich, eine Partie in 60 Minuten abzuschließen. Dann muss man aber wirklich aus dem Bauch herausspielen, was aber auch gut möglich ist und Spaß bringt aber auch weniger Siegpunkte.
„Formosa Tee“ ist ein sehr solitäres Spiel und Interaktion oder Konfrontation finden nicht statt. Jeder ist mit seiner eigenen Teeproduktion beschäftigt.
Fazit
„Formosa Tee“ ist ein klassisches Workerplacement-Spiel, welches ich im Kennerspielerbereich einordnen würde.
Das Spiel besticht zunächst einmal durch seine „Schönheit“ und überzeugt mit einem sehr gut funktionierenden Mechanismus, der insbesondere durch die Bewegung des Teemeisters im Anschluss an den Einsatz des Arbeiters aus der Masse der Spiele dieser Art heraussticht. Auch wenn das eigentliche System sehr verständlich ist, sollte man sich schon seine Strategie festlegen und danach seinen Tee ernten. Nur so sind Punkte in einem sehr hohen Bereich möglich. Nicht umsonst liegt dem Spiel auch ein 200-Punkte-Marker bei. Um diese Marke zu erreichen muss man seine Züge allerdings schon sehr genau planen.
Die wichtigste zu treffende Entscheidung ist es immer welche Teequalität man produzieren möchte. Ein guter Tee bedingt einige Bewegungen des Teemeisters auf der Verarbeitungsleiste, was das weitere Vorankommen zwar verzögert aber mehr Punkte beim Verkauf bringt. Das Wetter spielt hierbei natürlich immer einen großen Einfluss. Eine andere Taktik wäre natürlich eine schnelle Teeproduktion und das Setzen auf den lokalen Markt oder das Aromatisieren, was auch sehr viele Punkte einbringt.
Doch auch für Bauchspieler oder für Spielertypen, die sich vielleicht nicht komplett tief „eindenken“ möchten, ist dieses Spiel was. Bei dieser Spielweise wird man zwar keine Rekordpunktzahlen erreichen aber trotzdem großen Spaß haben.
Wer allerdings Konfrontationen sucht, der sollte nicht zu diesem Spiel greifen, da es diese ganz einfach nicht gibt. Lediglich kommt es vor, dass einer der Mitspieler ein Feld auf der Teeplantage erntet, welches ihr auch gerne gehabt hättet. Doch die Anzahl der Felder ist groß genug und euch steht immer ein anderes Feld zur Verfügung, welches gut ist. Ansonsten spielt ihr genüsslich und ruhig vor euch dahin.
Also, breitet euch ein Tässchen Tee zu und genießt eine entspannte Runde oder auch zwei. Es lohnt sich auf jeden Fall, einen Blick auf dieses Spiel zu werfen. Mir persönlich gefällt es auf jeden Fall sehr gut.
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