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  • Tim Nau

Gutenberg - Huch

Gutenberg

„Gutenberg“, zunächst bei Granna und nun in der deutschen Version bei Huch erschienen, ist ein Strategiespiel für 1 bis 4 Spieler von Katarzyna Cioch und Wojciech Wisniewski.

Wir befinden uns im 15. Jahrhunderts und sind Inhaber einer Druckerei, die wir zu Ruhm führen wollen. Dazu verbessern wir unsere Werkstatt, erfüllen Aufträge und sichern uns die Hilfe einflussreicher Gönner. Doch auch unsere Konkurrenz schläft nicht…


Ein Blick in die Spieleschachtel

Beim Material kann man nur mit der Zunge schnalzen – das ist schon absolut erstklassig und hochwertig produziert.


Anfangen tut das alles schon bei den 6 mitgelieferten Pappschachteln, in denen sich das beiliegende Material wunderbar verstauen lässt. Highlight sind aber die Letter. Diese sind sogar in Spiegelschrift, was mir tatsächlich erst beim genauen Hinschauen aufgefallen ist weil ich mich gefragt habe, ob da nicht Buchstaben fehlen. Auch das weitere Material ist wirklich gelungen und kann mit schönen Illustrationen begeistern.

Einzig kleiner Wermutstropfen ist es, dass man vor dem ersten Spiel die grauen Steine zunächst einmal in die Tableaus bekommen muss. Nehmt sofort einen Gegenstand zum Drücken – das schont die Nerven und auch eure Finger. Einmal installiert, muss man diese allerdings nicht mehr herausnehmen. Auch wenn sich diese danach flüssig bewegen, kann es dennoch zu Verwirrungen kommen. Man muss manchmal schon zweimal hinschauen, welche Aktion denn nun möglich ist.


Die Anleitung ist erstklassig. Hier gibt es keine Unklarheiten, wofür vor allem die zahlreichen Beispiele sorgen.


Das Spielsystem

Das Spielsystem von Gutenberg ist schnell verinnerlicht und auch der Aufbau gestaltet sich recht zügig.


Zu Beginn des Spiels müssen wir uns entscheiden, ob wir mit oder ohne Spezialfähigkeiten der Charaktere spielen wollen. In der Anleitung wird empfohlen, diese zunächst wegzulassen, was ich auch raten würde. Entscheiden wir uns für das Spiel mit Fähigkeiten, so übernimmt jeder Spieler die Rolle einer historischen Persönlichkeit. Hier finde ich, dass die Eigenschaften besser hätten austariert sein können. Persönlich finde ich die Eigenschaften von Hiernonymus Vietor (2 Ruhmespunkte anstatt von 1 je 3 Gulden am Spielende) und Petrus Schoyffer (doppelte Nutzung eines aktiven Zahnrad-Sektors) am schwächsten finde. Hat man hingegen Carola Guillard und beginnt das Spiel bereits mit 2 Zahnräder, so ist das schon ein enormer Vorteil für die Startphase des Spiels.


Zentrales Element des Spiels ist die Planungsphase, die jeder Spieler hinter einem Sichtschirm auf seiner persönlichen Planungstafel durchführt. Je nach Spielerreihenfolge stehen euch hierfür eine unterschiedliche Anzahl an Planungsmarkern zur Verfügung. So erhält der Startspieler 7 Marker, der zweite Spieler 8, der dritte Spieler 9 und der vierte Spieler 10. Am Rundenende wird der Startspieler-Marker weitergegeben und jeder Spieler übergibt einen Planungsmarker an den Spieler, der diesen gerade weitergegeben hat. Dieses System ist super durchdacht.

Die Planung führt jeder Spieler hinter seinem Sichtschirm durch

Ihr platziert nun die euch zur Verfügung stehenden Marker auf die 5 zur Verfügung stehenden Aktionen. Ihr müsst nicht Marker auf alle Aktionen legen. Eine Aktion durchführen dürft ihr allerdings nur, wenn ihr mindestens einen Marker auf der entsprechenden Aktion platziert habt.


Wenn jeder Spieler seine Planung abgeschlossen hat, werden die Sichtschirme entfernt, was immer wieder ein Highlight im Spiel ist, da man nun erfährt, wann man bei den einzelnen Aktionen am Zug ist. Die Aktionen werden nun von oben nach unten durchgeführt und die Reihenfolge bestimmt sich anhand der platzierten Marker auf der Aktion. Ganz einfach ausgedrückt beginnt der Spieler, der die meisten Marker platziert hat und der mit den wenigsten Markern ist zuletzt an der Reihe. Bei Gleichstand werden die Aktionen in Spielerreihenfolge, vom Startspieler aus, durchgeführt.


Nun werden die einzelnen Aktionen nacheinander, von oben nach unten auf dem Spielbrett, durchgeführt. Diese einzelnen Aktionen stelle ich euch kurz vor:


Durch die oberste Aktion erhält man neue Druckaufträge. Führt ihr die Aktion durch nehmt ihr euch eine Druck- und eine Veredelungskarte. Die Druckkarte erfordert immer eine bestimmte Anzahl und Kombination von Lettern, wohingegen ihr bei der Veredelungskarte Tinte abgeben und bestimmte Voraussetzungen erfüllen müsst. Ich komme auf die Karten im Rahmen der Auftragserfüllung noch einmal zu sprechen.


Mit der zweiten Aktion erhaltet ihr Tinte. Ihr wählt eines der zur Verfügung stehenden 3er-Sets und könnt euch dann entscheiden, ob ihr ein, zwei oder alle drei Plättchen nehmen wollt. Wichtig ist, dass diese von links nach rechts genommen werden müssen. Die erste Tinte kostet nichts, wohingegen euch die zweite Tinte einen Gulden und die dritte Tinte dann zwei Gulden kostet.


Mit der dritten Aktion entwickelt ihr eure Spezialisierung. Diese Aktion solltet ihr immer mit mindestens einem Planungsmarker versehen, um hier zum Zug zu kommen. Ihr wählt eine der zur Verfügung stehenden Spezialisierungs-Karten und habt dann entweder die Möglichkeit die auf der Karte abgebildeten Spezialisierungs-Marker nach oben zu bewegen oder aber euch irgendeinen Marker auszusuchen. Wenn ihr bei der Steigerung mit irgendeinem Marker zum ersten Mal die Stufen II, IV, V und VI erreicht, zieht ihr euren Marker auf der Belohnungsleiste um eine Stufe weiter nach rechts und erhaltet die entsprechende Belohnung. Hier finde ich die Ikonografie auf dem Board unglücklich da der Pfeil neben den römischen Ziffern nur auf die rechte Seite mit den Spezialisierungen Buchbindung und Buchschmuck zeigt. Dies könnte dazu führen das man denkt, dass man auf einer dieser beiden Leisten die entsprechende Stufe erreichen muss. Diese Irritation hätte man vermeiden können, wenn man einfach noch den gleichen Pfeil nach links auf das Tableau gedruckt hätte.

Eines der Herzstücke des Spiels ist die Verbesserung der eigenen Druckerei und hier solltet ihr in den ersten drei Runde auch auf alle Fälle investieren, da euch die Zahnräder die Nutzung von Zusatzaktionen ermöglichen. Jeder Spieler verfügt über 3 Marker für verwendete Zahnräder. Somit sind folglich 3 Zahnradnutzungen in einem Zug möglich. Ihr könnt allerdings nicht eine beliebige Zahnradfunktion nutzen, sondern nur die Aktionen, die sich in den aufgehellten Zonen befinden. Die Belohnungen könnt ihr jederzeit erhalten, wenn ihr an der Reihe seid. Den Einbau solltet ihr immer überdenken, da das oberste Zahnrad am Beginn jeder Runde um einen Sektor im Uhrzeigersinn gedreht werden muss. Dies führt natürlich auch zu einer Drehung der weiteren platzierten Zahnräder. Ich selbst setze das Rad immer kurz ein und mache dann eine leichte Drehung um zu sehen, was mich denn in der nächsten Runde erwartet, um hier keinen Fehler zu machen.


Mit Hilfe der letzten Aktion erhaltet ihr Gunst. In den ersten zwei Spielrunden könnt ihr so einen Auftrag nehmen, eine Spezialisierung verbessern, 3 Gulden nehmen oder 2 beliebige Tinten-Plättchen nehmen. Richtig interessant wird es dann ab Runde 3, da dann die Gönner-Karten ins Spiel kommen, die jeweils 8 Ruhmespunkte am Spielende wert sind. Ihr müsst, um diese nehmen zu dürfen, immer 2 Bedingungen erfüllen. So müsst ihr, zum Beispiel, eine bestimmte Stufe einer Spezialisierung erreicht haben, bestimmte Lettern besitzen oder 2 bestimmte Tinten-Plättchen abgeben. Die Erfüllung der Bedingungen ist ein ganz guter Anhalt für die eigene Spieltaktik.


Druck- und Veredelungskarten

Nun geht es an die Auftragserfüllung. Diese ist elementar, da ihr durch die Erfüllung die Masse eurer Punkte machen werdet. Hier wendet man ein sehr gelungenes System an. Ein Auftrag setzt sich immer aus einer Druck- und einer Veredelungskarte zusammen. Auf der Druckkarte findet ihr immer Lettern, die ihr zur Erfüllung in eurem Bestand haben müsst. Ihr müsst diese nur haben und nicht abgeben. Fehlen euch Lettern, so könnt ihr diese jetzt oder aber auch zu jedem beliebigen anderen Zeitpunkt eures Zuges, kaufen. Als Belohnung gibt es hier, in Abhängigkeit von der Anzahl der Lettern, Gulden. Auf der Veredelungskarte findet ihr Tinten-Plättchen und Mindeststufen, die ihr in einer oder 2 Spezialisierungen erreicht haben müsst. Jetzt kommt der Clou, der mir wirklich gut gefällt. Ihr könnt nämlich die Veredelungskarte komplett ignorieren, nur eine der beiden Anforderungen erfüllen oder aber auch komplett erfüllen. Für die Erfüllung der einzelnen Anforderungen werdet ihr immer mit Siegpunkten belohnt. Erfüllt ihr die Karte komplett, erhaltet ihr zusätzlich noch eine weitere Belohnung in Form von, zum Beispiel, Gulden, Siegpunkten oder Aufträgen. Aus meiner Spielerfahrung heraus kann ich sagen, dass es sehr wichtig ist, hier möglichst viele Punkte zu sammeln.


Am Ende der Runde bestückt ihr das Feld einfach wieder komplett indem ihr auf die freien Felder neue Zahnräder, Karten, Tinten-Plättchen und so weiter legt.


Nach der 6. Runde endet das Spiel und es erfolgt eine kurze Schlusswertung. Ihr erhaltet noch Punkte in Abhängigkeit eurer Spezialisierungsstufen, Punkte für eure Gönner-Karten und noch 1 Punkt je drei Gulden in eurem Besitz.


Die optimale Spielerzahl

Konzipiert ist das Spiel für 1 bis 4 Personen. Auf den Solo-Modus gehe ich im Anschluss kurz separat ein.


Das doppelseitig bedruckte Spielbrett bietet eine Seite für 2 Personen und eine Seite für das Spiel mit 3 oder 4 Personen. So etwas gefällt mir immer sehr gut. Spielt ihr mit 2 Spielern, so stehen euch weniger Karten zur Verfügung. Die Anpassungen sorgen dafür, dass das Spiel in jeder Konstellation gut funktioniert und Spaß macht.


Ca. 20 bis knapp 30 Minuten je Spieler sind so der Richtwert für die Dauer einer Partie.

Karten für das Solo-Spiel

Auch im Solo-Modus kann man Gutenberg spielen. Das Solo-Spiel ist eine reine Punktejagd und wird aufgrund der verwendeten Mechanik nicht jedem zusagen. Es werden nämlich, anhand der beiliegenden Automa-Karten- immer Ressourcen bestimmt, die ihr vom Spielbrett nehmen müsst. Dies ist folglich ein komplettes Zufallselement. Punkte oder Ressourcen sammelt der Automa nicht. Anhand einer Tabelle könnt ihr nach dem Spiel eure Stufe erkennen.


Mir persönlich hat der Solo-Modus gut gefallen. Er spielt sich mega schnell und flüssig. Einmal im Spiel drin benötigt ihr nur eine gute halbe Stunde für eine Partie.


Des Weiteren ist es auch möglich, den Automa in einem Spiel mit 2 oder 3 Personen einzusetzen, um einen weiteren „Spieler“ zu simulieren.


Fazit

Gutenberg ist ein Spiel, welches zunächst einmal mit einem leicht zugänglichen Regelwerk und tollem Material punkten kann.


Klar muss einem allerdings sein, dass es sich bei Gutenberg nicht um ein Expertenspiel handelt. Wenn man mit dieser Erwartung an das Spiel herangeht läuft man Gefahr, enttäuscht zu werden. Wer sich mit Brettspielen beschäftigt, der wird dies bereits beim Lesen der Anleitung erkennen. Das Spiel befindet sich vom Komplexitätsgrad her maximal im unteren Kenner-Bereich. Die einzig wirklich taktische Tiefe kommt durch die Zahnräder ins Spiel, durch deren Aktionen man sein eigenes Spiel beeinflussen kann. Das führt dazu, dass man in den ersten drei Runden immer mindestens einen Marker auf der entsprechenden Aktion platzieren muss, um nicht leer auszugehen. In den letzten Runden macht man das höchstens dann noch einmal um ein Zahnrad auszutauschen, was in meinen Partien allerdings äußerst selten gemacht wurde. Schnell wird einem auch klar, dass man immer mindestens einen Marker auf die Spezialisierung setzen muss. Neben den Belohnungen gibt es hier auch noch Siegpunkte, die am Spielende über Sieg oder Niederlage entscheiden können. Die Planungsphase ist zwar super spannend aber oftmals macht es keinen sehr großen Unterschied, wann man denn nun eigentlich dran ist. Dieser fällt lediglich bei dem Nehmen der Gönner-Karte ins Gewicht, wo man ruhig auch mal mehrere Marker investieren sollte, wenn man denn die Voraussetzungen erfüllt.


Aus meiner Sicht ein super Spiel für Familienspieler, die ein wenig tiefer in taktisches Geschehen eintauchen wollen, ohne überfordert zu werden. Diese Gruppe wird sich allerdings zunächst etwas intensiver mit der Anleitung beschäftigen müssen, da diese komplexer ist, als es bei einem „normalen“ Familienspiel der Fall ist.


Insgesamt hat mir Gutenberg gefallen und ihr solltet auf jeden Fall einen Blick riskieren, wenn ihr ein gehobenes Familienspiel bzw. leichtes Kennerspiel sucht.


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