Jakarta Traffic
- Tim Nau
- 30. Juni
- 7 Min. Lesezeit
Jakarta Traffic
„Jakarta Traffic“ ist beim Eigenverlag des Autors Simon Schmieder erschienen. Es handelt sich um ein Pick-up and Deliverspiel für 1 bis 4 Spieler.

„Ambil Dong!“ ist ein aufstrebendes Start-up und wir schlüpfen in die Rolle eines Mopedfahrers und wollen Lebensmittel liefern oder bieten eine Mitfahrgelegenheit. Können wir uns im berüchtigten Verkehr der Millionen-Metropole zügig bewegen und unsere Aufträge schnell ausführen, bevor uns die Konkurrenz die lukrativsten Angebote wegschnappt?
Meinung
Jakarta Traffic wurde 2024 erfolgreich über Kickstarter finanziert und ist an mir persönlich tatsächlich vollkommen vorbeigegangen.
Auf dem Herner Spielewahnsinn in diesem Jahr lernte ich dann Bastian, ein Mitentwickler des Spiels, kennen. Dieser erklärte mir das Spiel und dann habe ich auch ein Exemplar mitgenommen.

Schon bei der Erklärung fühlte ich mich an den Klassiker „Das verrückte Labyrinth“ erinnert. Hier schieben wir keine Teile von außen in das Board, sondern tauschen Teile aus und verändern so dann den Weg. Doch dazu kommen wir gleich noch.
Zunächst einmal muss man das Spielmaterial loben. Bei meiner Version handelt es sich um die Kickstarter-Fassung. Ob eine Retail-Version, mit eventuell abgespecktem Material in den Handel kommt, konnte man mir noch nicht sagen.
Sämtliches Holzmaterial (und das ist einiges) ist bedruckt und von erstklassiger Qualität. Dazu kommen die tollen Double-Layer-Spielerboards in Form eines Mobiltelefons. Außerdem noch weitere Boards und viele Straßenteile in ebenfalls sehr guter Qualität. Und das passt tatsächlich alles in die dann doch recht kleine Spieleschachtel. Also mit Luft wurde hier nicht gearbeitet.
Die gedruckte Anleitung liegt in englischer Sprache bei. Diese ist aber, ein wenig Kenntnisse der englischen Sprache vorausgesetzt, sehr gut zu lesen und zu verstehen. Viele Bilder und Beispiele sorgen dafür, dass kaum Fragen offenbleiben.
Bevor wir uns kurz gemeinsam die Regeln anschauen, möchte ich mir mit euch kurz das Spielbrett anschauen.

Euer Spielfeld besteht aus 25 Straßenteilen, die in einem 5x5 Raster in die Umrandung eingesetzt werden, die vor dem Spiel kurz zusammengepuzzelt werden muss. Beim Aufbau müsst ihr darauf achten, dass ihr 5 Stapel mit jeweils 5 Teilen baut. Hierbei enthält jeder Stapel 3 Aufnahmeteile (Kreis), 1 Ladestation (Dreieck) und 1 Gebäude (Quadrat). Jeden Stapel füllt ihr nun in eine vertikale Linie. Achtet dabei darauf, dass Gebäude nicht orthogonal aneinander angrenzen dürfen. Tauscht einfach das Teil mit einem anderen Teil des entsprechenden Stapels. Das ist dann euer Spielbrett und auf den ersten Blick sieht das dann ziemlich wild aus. Soll es allerdings auch, vermittelt es doch ein Gefühl des Verkehrs. Auf diesem platziert ihr dann noch die Auftragstoken. Des Weiteren erhält jeder Spieler noch ein Start-Teil für die persönliche Auslage.
Die Teile sind doppelseitig. Auf der einen Seite befindet sich eine Tag- und auf der anderen Seite eine Nacht-Seite. In der Nacht sind einige Straßen geschlossen und ihr könnt die entsprechenden Slots nicht nutzen. Doch das ist nur eine mögliche Varianz. Auf die beiligenden Erweiterungen kommen wir später zurück.

Zweites zentrales Element ist das Order-Board. Auf diesem erkennt ihr was bzw. wer wohin geliefert bzw. transportiert werden muss und wie viele Sterne ihr dafür erhaltet. Der Clou des Spiels ist es nun, dass sich das Board immer verändert, sobald ein Spieler eine Lieferung erfolgreich abgeschlossen hat. So wird nämlich das entsprechende Auftragstoken nach unten geschoben, wodurch alle anderen eben nach oben wandern und auch die Orte verändern sich in einer bestimmten Reihenfolge. Dies Prozedere ist in der Anleitung und zusätzlich auch auf dem Board selbst sehr gut erklärt bzw. dargestellt. Das hat natürlich zur Folge, dass man plötzlich dann eben eine andere Anzahl an Sternen für seine Lieferung bekommt oder diese doch besser zu einem anderen Ort transportiert.
Das System gefällt mir ausgesprochen gut, macht das Spiel aber, vor allem in Vollbesetzung, sehr unplanbar. Im Spiel mit zwei Personen, kann man dafür sehr taktisch spielen.
Der Spielzug eines Spielers besteht aus 2 Phasen.

In der ersten Phase kann man hupen, um den Verkehr zu manipulieren. Ihr könnt entweder ein beliebiges Teil (es dürfen sich keine Mopeds oder Plättchen auf diesem befinden) drehen oder das Plättchen im eigenen Besitz mit einem Abholort oder einer Ladestation austauschen – Gebäude können nicht ausgetauscht werden. In beiden Fällen müsst ihr den Manipulationsmarker auf das manipulierte Teil stellen. Dies verhindert, dass der Folgespieler das gleiche Teil manipuliert. Das erinnert ganz stark an das verrückte Labyrinth, bei dem ihr ja euer Teil in das Board geschoben habt und dadurch den Weg verändert habt. Hier haben wir eine Version für fortgeschrittene Spieler.
Die zweite Phase, das Fahren, müsst ihr durchführen. Ihr müsst bei dieser Aktion wirklich genau darauf achten, wo der Startpunkt für euren Parkplatz ist. Das ist in unseren ersten Partien oftmals untergegangen. Von diesem Punkt aus folgt ihr dann der blauen Linie und könnt euch dann ein Ziel aussuchen, mit dem dann interagiert.
Abholort: Ihr könnt euch das Token nehmen. Dies kostet eine Energie.
Gegnerisches Moped: Alle am Gespräch beteiligten laden ihr Handy voll auf und außerdem erhält der Spieler, der die Aktion ausgelöst hat, noch zusätzliche eine Sprechblase.
Ladestation: Euer Handy wird aufgeladen.
Manipulationsmarker: Dieser wird einfach auf seinen Platz auf der Auftragstafel gestellt.
Lieferort: Habt ihr eine Bestellung und erreicht den passenden Lieferort, könnt ihr die Bestellung ausliefern, was eine Energie kostet.

Durch die Auslieferung von Bestellungen verändert sich, wie oben bereits angesprochen, das Order-Board. Dies führt dazu, dass sich ein toller Wettlauf entwickelt. Nach Ausführung einer Bestellung erhaltet einen Stern mit der entsprechenden Punktzahl. Das Spielende wird eingeleitet, sobald ein Spieler seinen vierten Stern erhalten hat. Nun wird die aktuelle Runde noch zu Ende gespielt und anschließend erfolgt die Schlusswertung.
Ihr erhaltet Punkte für eure gesammelten Sterne, jede übriggebliebene Energie ist einen Punkt wert und außerdem gibt es noch Bonuspunkte in Abhängigkeit eurer gesammelten Sprechblasen.
Konzipiert ist das Spiel für 1 bis 4 Personen. Auf den Solo-Modus gehe ich gleich kurz gesondert ein. Grundsätzlich kann man sagen, dass das Spiel mit steigender Spieleranzahl immer unplanbarer wird. Da es viele Möglichkeiten der Manipulation gibt, besteht auch die Gefahr, dass man Situationen „zerdenkt“ und lange nach dem vermeintlich besten Weg sucht, was zu einer Erhöhung der Downtime führt. Ca. 20 Minuten pro Spieler sind schon eine realistische Annahme. Ich persönlich spiele das Spiel am liebsten mit 2, maximal mit 3 Personen.

Auch alleine kann man das Spiel spielen. Ihr würfelt hier um festzulegen, welches Teil der Bot manipuliert. Anschließend müsst ihr dann, in einer Prioritätenliste festgelegt, den besten Weg zum Ziel für euren Gegenspieler suchen. Ich habe es zweimal zum Kennenlernen alleine gespielt und dabei wird es wohl auch bleiben. Das doppelte Wegesuchen war mir dann doch ein wenig zu viel.
Am Ende der Anleitung sind noch Charakterhintergründe zu finden. Ihr könnt euch hier in Rollenspielszenarien hineinversetzen und entsprechend ihrer Strategie spielen. Ich persönlich werde das nicht tun aber finde die Idee einer eigenen Hintergrundgeschichte sehr schön. Es zeigt, dass eine Menge Liebe zum Detail in der Entwicklung steckt.
Jeder Spieler wählt sich zu Spielbeginn einen Charakter. Leider ist es vollkommen egal, mit welchen Charakter ihr das Spiel spielt. Ich hätte es sehr schön gefunden, wenn man jedem Charakter eine individuelle Fähigkeit gegeben hätte, um ein wenig Asymmetrie zwischen den Charakteren zu erzeugen.
Wenn ihr ein paar Runden gespielt habt, könnt ihr ein Modul hinzunehmen. Satte 6 Module liegen dem Spiel bei, was den Widerspielwert ungemein erhöht und für langanhaltenden Spielspaß sorgt. In dem Video zur Kickstarter-Kampagne habe ich gesehen, dass diese, falls das Spiel als Retail-Version kommen sollte, nicht beiliegen werden. Wenn euch das Spiel daher interessiert solltet ihr jetzt schauen, um noch eine Version zu ergattern. Die Anleitung empfiehlt 1 oder 2 Module in das eigentliche Spiel zu integrieren. Ebenfalls sind Kombinationen vorgeschlagen. Aber ihr könnt das natürlich alles frei entscheiden. Diese möchte ich euch ganz kurz vorstellen:
Sonderaufträge: Die Aufträge werden vor dem Spiel gemischt und jedem Stapel wird ein Sonderauftrag hinzugefügt. So weiß man nie, welcher Auftrag oben liegt. Der Sonderauftrag muss zu einer der beiden "Schornstein-Adressen" geliefert werden und bringt euch einen 5-Punkte-Stern. Anschließend dürft ihr frei entscheiden, welche Order ihr auf dem Board bewegt.
Rupiah: Rupiah ist die Währung in Indonesien. Wenn nun geliefert wird, muss zusätzlich das Rupiah-Token, neben dem Stern, auf ein freies Lieferfeld gelegt werden. Dies macht das Feld dann wertvoller bzw. attraktiver, da der nächste Spieler, der an die entsprechende Adresse liefert, auch das Rupiah-Token erhält.
Azan: Muslime stellen die Mehrheit in der Region dar. Es werden zwei Moschee-Spielsteine platziert – einer auf dem Spielbrett und einer auf dem Order-Board, der dadurch eine Lieferadresse abdeckt. Wenn man die Bestellung bei der Moschee abliefert, passt man das Board wie üblich an und darf anschließend entscheiden, welche Bestellung man nun abdeckt.

Candy Crush: Dieses Modul ist von dem bekannten Handyspiel inspiriert. Mit diesem Modul wird das Aufladen des Handys attraktiver, da ihr zusätzliche Bonbons sammelt, die euch Bonuspunkte bringen. Ladet ihr nämlich euer Handy, schaut ihr auf der Overview-Card in den Bereich, der der augeladenen Energie entspricht. HAbt ihr bereits einen Stern mit dem Wert gesammelt, der dem Wert des obenliegenden Bonbons entspricht, nehmt ihr euch dieses Bonbon und deckt den entsprechenden Stern damit ab. Je nach Anzahl gesammelter Bonbons erhaltet ihr am Spielende Bonuspunkte.
Ondel-Ondel: Ihr spielt hier mit 4 Manipulationsmarker anstelle mit nur einem. Alle 4 Ondel-Ondel werden auf das Orderboard gestellt. Wie üblich stellt ihr bei einer Manipulation einen Ondel-Ondel auf das entsprechende Teil. Dies amcht ihr solange, bis alle 4 platziert sind. Wenn man nun hupt, muss man einen Marker platzieren, falls noch einer verfügbar ist. Endet eure Bewegung nun auf einem dieser Marker müsst ihr diesen auf dem Straßenteil in eurer Auslage platzieren und könnt es im Rahmen der Hupen-Aktion nicht platzieren. Stattdessen könnt ihr den Marker auf einem beliebigen Ort setzen.
Ambulance Polisi: In diesem Modul platziert ihr noch einen Polizei- und einen Krankenwagen. Die Krux ist nun, dass das Plättchen mit dem Polizeiwagen icht passiert werden darf. Dafür dürft ihr aber beim Plättchen mit dem Krankenwagen "springen". Das heißt, dass ihr das Plättchen erreicht und eure Fahrt über einen anderen Ausgang fortsetzen dürft. Anschließend müsst ihr beide Fahrzeuge gemäß einer Vorgabe versetzen.

Insgesamt ein sehr nettes Spiel, welches sowohl Familien- wie auch Kennerspieler bedient. Es besticht durch sehr einfache Regeln, die schnell verstanden sind und bietet durch die zusätzlichen Module langfristigen Spielspaß. Fans vom verrückten Labyrinth, die es komplexer mögen, können bedenkenlos zugreifen.
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