Villagers – Wir bauen unser Mittelalterdorf
„Villagers” von Haakon Hoel Garder, bei Kosmos erschienen, ist ein Enginebuilder für 2 bis 4 Spieler mit einer Spieldauer von ca. 45 Minuten.
Für unser frisch gegründetes Dorf benötigen wir Fachkräfte, um die Entwicklung voranzutreiben und das Dorf erblühen zu lassen.
Ein Blick in die Spieleschachtel
174 Karten und 153 Münzplättchen ist alles, was für diesen Enginebuilder benötigt wird. Die Münzen sind auf dicker Pappe und die Karten weisen eine ordentliche Qualität auf. Das 5 Gründungskarten und Spielhilfen beiliegen ist wohl dadurch zu erklären, dass der englischsprachige Kickstarter für 1 bis 5 Spieler konzipiert war.
Auf mich wirkte die Anleitung beim ersten Lesen etwas konfus und ich musste ein zweites Mal lesen.
Das Spielsystem
Bevor ihr mit dem Spiel startet, solltet ihr einigen Platz auf eurem Spieletisch vorhalten, denn die Dörfer wachsen sehr schnell. Es hat mich in meiner ersten Partie wirklich überrascht, wieviel Platz dieses Spiel benötigt.
Jeder Spieler erhält 8 Geld, eine Gründungskarte und 5 Handkarten. Das Spiel startet mit der sogenannten Draftingphase, die für mich persönlich eigentlich kein wirkliches Drafting ist.
Nacheinander wählt ihr nämlich entweder eine der offen ausliegenden Karten oder zieht eine Karte von einem beliebigen Stapel. So darf jeder mindestens 2 Karten auswählen und bis zu 5, wenn er in seinem Dorf 3 Karten ausliegen hat, die ein Nahrungssymbol aufweisen – 5 Karten ist das Limit, auch wenn ihr über mehr Nahrungssymbole verfügt.
Nun geht es in die Bauphase, die jeder Spieler, nacheinander, komplett absolviert. Auch hier darf jeder 2 Karten ausspielen und bis zu 5, wenn in seinem Dorf 3 Karten ausliegen, welche ein Haussymbol aufweisen. Auch hier gilt wieder ein Limit von 5 Karten.
Im Rahmen des Spiels findet der erste Markttag statt, wenn die Kartenstapel 1 und 2 aufgebraucht sind und der zweite Markttag, wenn die Stapel 3 bis 6 aufgebraucht sind. Mit dieser Wertung endet dann auch das Spiel.
Ein klassischer Enginebuilder
Nun gilt es also sein Dorf geschickt aufzubauen. Hier präsentiert sich das Spiel als klassischer Enginebuilder.
Jede Karte, ausgenommen die Solo-Karten und Spezialkarten, weist eine Produktionskette aus, die es einzuhalten gilt. Je weiter der Spieler innerhalb dieser Kette nach vorne kommt desto höher fällt später die Belohnung aus. So benötigt jede Karte erst einmal eine Startkarte. Diese Karten erhält man gegen Abgabe einer seiner Handkarte und ist dann der Beginn der Produktionskette. Startkarten können hierbei zwei Berufsreihen aufnehmen.
Um zum Beispiel einen Juwelier in sein Dorf zu bekommen, der einen aufgedruckten Goldwert von 20 hat, benötigt man zunächst als Startkarte einen Bergarbeiter, dann einen Sucher und anschließend noch den Höhlenforscher, der durch den Kerzenmacher entschlüsselt wird. Der Juwelier selbst wird durch den Schmied entschlüsselt.
Wesentlich zu beachten ist, dass immer die Belohnung der abgedeckten Karte entfällt und man „lediglich“ die Belohnung der letzten Karte einer Produktionskette erhält.
Hier lässt das Spiel zahlreiche Taktiken zu, die zum Erfolg führen können.
Eine Vielzahl unterschiedlichster Berufe
Neben den Startpersonen, Holzfäller, Heuwender und Bergarbeiter die jeweils 10-mal vorhanden sind, gibt es noch 43 weitere Berufe (im Spiel zu zweit oder dritt) bzw. 50 Berufe im Spiel zu viert, die jeweils 2-mal vorkommen. Hier gibt es, wie für die damalige Zeit typisch, zum Beispiel den Schmied, den Wagner, den Schlosser oder den Brauer.
Diese Varianz ist klasse und steigert das Flair des Spiels ungemein.
Die Nahrung
Der Faktor Ernährung hat mir nicht wirklich eingeleuchtet. Nach eurer ersten Runde schaut ihr lediglich, ob ihr auf irgendeiner Karte ein Nahrungssymbol habt. Wenn nicht, dann dreht ihr einfach eure Gründungskarte um und habt von nun an ein Nahrungssymbol. Mit diesem einen Symbol könnt ihr dann das gesamte Dorf ernähren – auch das komplette Spiel über. Aus meiner Sicht, hätte man diesen Punkt einfach sein lassen können, da er nicht zum Spiel beiträgt.
Die beiden Markttage
Zweimal im Spiel, nämlich an den Markttagen, findet eine Wertung statt und ihr erhaltet Gold, was in diesem Spiel gleichbedeutend mit Siegpunkten ist. Die Besonderheit ist nun, dass im Rahmen des ersten Markttages ist es nun, dass beim ersten Markttag „nur“ die aufgedruckten Goldwerte auf den Karten berücksichtigt werden und im Rahmen des zweiten Markttages, neben einer erneuten Goldwert-Wertung, auch noch die zahlreichen Silberwertungen Berücksichtigung finden. Diese Silber-Wertungen sind an Bedingungen geknüpft, die einen Engine-Builder ausmachen. So gibt es, zum Beispiel, Siegpunkte für ausliegenden Karten mit Haus- oder Nahrungssymbol, für Karten mit einem Hut-Symbol oder der Spieler erhält noch einmal alle Goldwerte einer bestimmten Kartengruppe.
Hier gilt es genau abzuwägen, auf was man sich denn nun konzentriert und macht eine der wesentlichen Spielstrategien aus. Es ist, zumindest nur sehr schwer, alles zu sammeln und die dementsprechenden benötigten Personen in sein Dorf zu bekommen.
Das Schlüssel-Schloss-System
Dieses System ist wirklich gut gelungen. Besonders gefällt mir hier, dass auch in der Anleitung darauf hingewiesen wird, dass man eine Einstiegspartie ohne dieses Element spielen kann. Neben dem besseren Einfinden in das Spielsystem bietet es auch die Möglichkeit, jüngere Spieler in das Spiel einzuführen.
Für mich macht dieses System einen der wesentlichen Anreize aus, da es einiges an Überlegung erfordert. So gilt es zunächst einmal Schlüsselpersonen, zum Beispiel den Schmied, in sein Dorf zu bekommen. Auf jeder Karte ist angezeigt, wie viele Personen mit dieser Karte „entschlüsselt“ werden können. Zeigt eine Karte nämlich ein Schloss so ist zu prüfen, ob die Person in seinem eigenen Dorf, in einem anderen Dorf oder gar nicht ausliegt. Liegt die Karte im eigenen Dorf, so gibt es 2 Geld aus der Bank, die auf die entsprechende Entschlüsselungskarte gelegt werden. Dieses Geld wird bei der Goldwertung ebenfalls gewertet. So kann, zum Beispiel, der Schmied 10 Karten entschlüsseln, was in Summe 20 Siegpunkte bringen würde. In Kombination mit dem Vermittler, der es erlaubt den Geldwert einer Karte zu verdoppeln, können so schon 40 Siegpunkte erreicht werden. Taktische Überlegungen, die in das Spiel einfließen müssen.
Verfügt ein anderer Spieler über die Entschlüsselungskarte, so muss man zum Ausspielen der Karte 2 Geld aus seinem eigenen Vorrat auf dessen Karte legen. Hat niemand die Karte, so muss das Geld in die Bank gezahlt werden.
Prinzipiell war es bei uns am Beginn eigentlich fast immer so, dass der Startspieler sich den Schmied genommen hat. Der nächste Spieler hat sich dann meistens auf den Böttcher konzentriert. Doch nichts hier ist eine Garantie dafür, dass Spiel am Ende für sich zu entscheiden.
Die optimale Spieleranzahl
Konzipiert ist das Spiel für 2 bis 4 Spieler. Leider hat der Solo-Modus, der in der englischsprachigen Kickstarter-Version dabei war, nicht in diese Version geschafft. Dies bedauere ich wirklich sehr und verstehe es eigentlich auch nicht, da es sich ja nur um ein paar Karten extra gehandelt hätte.
Der unterschiedlichen Spieleranzahl wird dadurch Rechnung getragen, dass eine unterschiedliche Anzahl an Karten je Stapel in der Auslage zu finden sind. In einer Partie zu zweit oder zu dritt wird außerdem noch ohne Leder und Wolle gespielt. Dies sorgt dafür, dass sich das Spiel in jeder Personenanzahl gut spielen lässt. Wobei man jedoch sagen muss, dass die komplette Vielfalt eben erst im Spiel mit 4 Personen erreicht wird, da die neuen Zweige dem Spiel noch einmal neues Leben einhauchen.
Interaktion besteht ohnehin kaum, da prinzipiell jeder Spieler „nur“ an seinem eigenen Dorf baut und lediglich im Falle von zu öffnenden Schlössern eventuell Geld auf eine Karte eines Gegenspielers gelegt werden muss. Ansonsten kommt man sich eben lediglich durch das Draften der Karten ein wenig in die Quere und ist eben ein wenig verärgert, wenn einem eine Karte vor der Nase weggeschnappt wird.
Die beiliegenden Module
Im Gegensatz zur Solo-Variante liegen dem Spiel die Module „Unterstützung“, Profiteur“ und „Entwicklung“ bei die noch einmal weitere Varianz in das Spiel bringen und für neue Strategien und Interaktion sorgen. Diese Module können separat oder in Kombination gespielt werden.
Mittlerweile spiele ich das Spiel nur noch mit den drei Modulen.
Schön, dass diese es in die Version geschafft haben.
Fazit
„Villagers“ ist ein sehr schöner Enginebuilder, der uns ein mittelalterliches Dorf aufbauen lässt. Nach und nach ziehen die unterschiedlichsten Personen in euer Dorf und lassen dieses mit Arbeit erblühen und führen euch zum Wohlstand.
Das Spiel ist sowohl für Familien- wie auch für Kennerspieler sehr gut geeignet. Reine Familienspieler können zunächst das Schlüssel-Schloss-System außen vor lassen. Doch ich denke, dass nach einer Partie der grundlegende Mechanismus klar ist. Für das Spiel mit dem Spielenachwuchs ist das Weglassen allerdings eine sehr gute Sache.
Insgesamt ist „Villagers“ ein Spiel, welches wir immer wieder gerne spielen.
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