Western Legends – Ein Sandbox-Spiel
„Western Legends“, bei Boardgame Box erschienen, ist ein Sandbox-Spiel für 2 bis 6 Spieler.
Unser Ziel ist es, der legendärste Cowboy des wilden Westens zu werden. Dabei können wir uns zwischen einem gesetzestreuen oder auch einem gesetzlosen Weg entscheiden.
Ein Blick in die Spieleschachtel
Das Spielmaterial ist sehr gelungen. Die Miniaturen sehen schön aus. Zunächst war ich ein wenig irritiert, da dem Spiel (Retail-Version) 13 Miniaturen beiliegen. Da es 12 unterschiedliche Charaktere gibt sowie noch Banditen und den Sheriff, passte das irgendwas nicht. Die Erklärung ist einfach. Es sind 6 Banditen-, eine Sheriff- und 6 Spielerfiguren. Die Karten sehen schön aus und weisen eine angenehme Dicke auf.
Insbesondere der General Store mit den zu kaufenden Artikeln ist ein echter Hingucker.
Durch die Anleitung muss man sich schon ein wenig „durchkämpfen“ und zumindest mir hat sich nach einmaligem Lesen nicht alles erklärt. Erstklassig sind hingegen die Spielerhilfen. Hier ist jeder Ort und jede verfügbare Aktion toll beschrieben und wenn man einmal komplett durchgestiegen ist, ermöglichen diese ein sofortiges Spiel, auch wenn man das Spiel eine längere Zeit nicht gespielt hat.
Das Spielsystem
„Western Legends“ ist ein klassisches Sandbox-Spiel, welches uns in den Wilden Westen entführt. Jeder Spieler übernimmt hier die Rolle eines Charakters und versucht am Ende des Spiels die meisten Legendary Points (LPs) erreicht zu haben.
3 Aktionen stehen euch zur Verfügung, die ihr in beliebiger Art und Weise kombinieren könnt.
So könnt ihr euch natürlich bewegen, um von einen Ort zum anderen gelangen. Habt ihr normalerweise nur 2 Bewegungspunkte, da ihr ja zu Fuß unterwegs seid, könnt ihr diese mit einem Esel oder einem Pferd erhöhen. Der Kauf eines Tieres empfiehlt sich schon zu einer frühen Phase des Spiels, um euren Radius zu erhöhen.
Außerdem könnt ihr noch die Aktion eines Ortes oder einer Pokerkarten nutzen.
8 unterschiedliche Orte stehen den Spielern zur Durchführung ihrer Aktionen zur Verfügung. Des Weiteren gibt es noch Banditen, die ebenfalls bekämpft werden können.
Welche Orte ihr aufsucht und was ihr in welcher Reihenfolge tun oder lassen wollt, ist komplett frei.
Nachfolgend möchte ich nur kurz auf die einzelnen Orte eingehen und euch Möglichkeiten darlegen:
Im Saloon könnt ihr Pokern und das macht echt Laune. Wenn ein Spieler in der gleichen Stadt ist, so darf dieser ebenfalls in das Geschehen eisteigen. Andernfalls spielt ihr gegen die Bank. Gespielt wird texas holdem mit dem einzigen Unterschied, dass lediglich der Flop aufgedeckt wird. Es ist aber einfach eine riesen Gaudi und für mich gehört bei jeder Partie „Western Legends“ mindestens ein Spielchen zu meinem Spielverlauf.
Im Varieté könnt ihr es euch bei Whiskey und Frauen gut gehen lassen – eben was ein ordentlicher Cowboy so tut.
Auf der Ranch betätigt ihr euch als Viehtreiber. Dies ist ein Ort, wo sich der gute Cowboy vom bösen Cowboy trennt. Der gute Cowboy liefert das Tier am Bahnhof ab, wohingegen der böse Cowboy das Rind bei der gegnerischen Ranch abliefert.
In der Mine könnt ihr nach Gold schürfen, welches ihr dann in der Bank verkaufen könnt. Die Bank kann überfallen werden, was die kriminellste Aktion des Spiels ist dafür aber mit der höchsten Anzahl an Wanted Punkten belohnt wird.
Im General Store könnt ihr einkaufen. Hier gibt es Waffen, Tiere und weitere nützliche Gegenstände.
Beim Doktor könnt ihr eure Verletzungen heilen.
Das System der Pokerkarten
Zentrales Spielelement sind die Pokerkarten, von denen man immer ausreichend auf der Hand haben sollte, da sie für Kämpfe, als Abgaben bei der Erfüllung einiger Aufgabenkarten und eben das Pokerspiel benötigt werden.
Wie üblich weisen die Karten einen Wert
von 2 bis Ass auf. Neben einer sehr schönen Illustration haben die Karten auch noch einen Textpart. Hier gibt es Bonus-, Aktions- oder Reaktionsfähigkeiten. Um die Aktion einer Karte zu nutzen wird diese einfach ausgespielt und die Durchführung kostet dem Spieler eben einen Aktionspunkt. Reaktionskarten hingegen benötigen keinen Aktionspunkt und können beim Kampf gespielt werden nachdem die eigentlichen Karten aufgedeckt wurden und ermöglichen, zum Beispiel, dass der Wert der gegnerischen Karte gesenkt wird oder dienen zur Modifikation eines Ergebnisses einer Aktion (zum Beispiel 2 zusätzliche Schritte am Ende der Bewegung).
Immer im Auge behalten werden sollte das Handkartenlimit, welches allerdings nur am Ende des eigentlichen Spielzugs gilt. Es ist also erlaub während seines Zuges mehr Karten auf der Hand zu haben, was oftmals sehr sinnvoll ist, wenn zum Beispiel ein Banküberfall geplant ist, um entsprechend reagieren zu können. Das normale Limit ist 5 Karten und reduziert sich um 1 je Verletzung.
Die unterschiedlichen Charaktere
Die Spieler haben die Auswahl aus 12 unterschiedlichen Charakteren. Western-Kenner werden wohl die Masse der Namen was sagen. Ich persönlich kannte lediglich Wyatt Earp, Jesse James und Billy the Kid. Wie ihr die Auswahl erledigt, ist euch überlassen. Ich habe in meinen Runden immer, abhängig von der Spielerzahl, eine unterschiedliche Anzahl jedem Teilnehmer ausgeteilt, aus denen er einen Charakter wählen konnte.
Auf der Vorderseite der Karte befinden sich das Konterfei sowie die Erklärung des Bonus, den dieser Charakter mit sich bringt. Als Bonus gibt es zum Beispiel Startphaseneffekte.
Die Rückseite der Karte startet mit
einem klasse Flavor-Text, der eine Beschreibung des Charakters liefert – eine sehr schöne Hintergrundinformation. Des Weiteren erfahren wir unseren Startort und unsere Startgegenstände, die wir uns auf unser Spielertableau legen dürfen.
Mir gefällt diese Auswahl sehr gut und keiner der Charaktere ist stärker oder „besser“ als ein anderer.
Was ihr aus eurem Charakter macht ist ja auch komplett euch überlassen – vielleicht möchtet ihr Billy the Kid auch auf den Pfad der Tugend führen?!?
Wanted oder Marschall Spieler?
Dies ist eine der zentralen Entscheidungen, die ihr im Spiel treffen müsst. Einige Charaktere geben euch eine Richtung vor, wenn ihr da Spiel schon mit Punkten in dem einen oder anderen Bereich startet. Dennoch ist diese Vorgabe keinesfalls bindend und ihr könnt auch einen anderen Weg einschlagen.
Wanted oder Marschall Punkte erhaltet ihr durch verschiedene Aktionen. Und wie es im Leben nun einmal ist, führt der Weg abseits des Gesetzes zu einem schnellen Reichtum aber ist gefährlich. Als Wanted-Spieler erhaltet ihr, je nach erreichter Spalte, am Ende des Zugs schon LPs, wohingegen Marschall Spieler ihre Punkte erst am Spielende erhalten. Dafür wird der Sheriff aktiv und dieser ist kein einfacher Gegner und wenn es zu einer Verhaftung kommt, dann sind alle Punkte auf einmal weg. Bewegungen des Sheriffs sind entweder durch die entsprechende Pokerkarte oder durch den auslösenden Spieler einer Storykarte möglich. Selbstverständlich können auch die Marschall Spieler einen Wanted Spieler verhaften. Es lebt sich gefährlich als Gesetzloser.
Eine Änderung seiner gewählten
„Karriere“ ist möglich. Dem Wanted Spieler bleibt allerdings nur die Verhaftung. Nach dieser kann er einen gesetztestreuen Pfad einschlagen. Der Marschall Spieler hingegen kann einfach eine Wanted Aktion, unabhängig seiner bis dahin erreichten Punkte, durchführen. Er startet den Pfad der Gesetzlosigkeit dann allerdings nicht mit seinen bis dato erreichten Marschall Punkten, sondern erhält die Anzahl an Punkten, die die Aktion ihm gebracht hat.
Definitiv solltet ihr beide Wege mal testen und auch die Änderung der „Karriere“ hat seinen Reiz und kann manchmal auch sinnvoll sein.
Die Storykarten
Die Storykarten sind ein weiteres tolles Element des Spiels und tragen unheimlich zur Atmosphäre bei.
Jeder Spieler verfügt über zwei Storyscheiben und kann am Ende seines Zuges eine der beiden auf die entsprechende Karte legen, wenn er denn die Bedingung erfüllt hat. Bedingungen sind zum Beispiel seinen Spielzug auf einem Feld außerhalb der Stadt zu beenden oder eine beliebige Anzahl Wanted oder Marschall Punkte erhalten zu haben. Liegen ausreichend Storyscheiben, 2 bei 2 bis 4 Spieler und 3 bei 5 oder 6 Spielern, auf der Karte, so wird diese umgedreht. Zunächst lesen wir einen sehr netten Text, der ein Ereignis darstellt und die Spieler, die zur Karte beigetragen haben, erhalten eine Belohnung.
Die optimale Spielerzahl
2 bis 6 Spieler können sich gemeinsam in den Wilden Westen begeben. Tendenziell kann man hier schon sagen, dass der Spielspaß mit der Teilnehmerzahl steigt. Mit zunehmender Spielerzahl steigt allerdings auch die Downtime deutlich an. Hier kommt es dem Spiel zu Gute, dass am Anfang die Wahl der zu erreichenden LPs getroffen werden kann. Ich habe das Spiel, bis auf Komplettbesetzung mit 6 Spielern, in jeder Spielerzahl gespielt. Meine Partie mit 5 Teilnehmern und mittlerer Länge (20 LP) dauerte knapp 3 Stunden.
Ich habe von Diskussionen gehört, dass
das Spiel mit zwei Personen nicht zu spielen ist. Dieser Aussage stimme ich absolut nicht zu. Ich habe zahlreiche Partien zu zweit gespielt und jeder Teilnehmer hatte immer Spaß und Freude. Fairerweise muss man sagen, dass es nicht den Spielspaß erreicht den man hat, wenn sich mehr Spieler am Tisch befinden. Vor allem liegt dies wirklich daran, dass es öfters vorkommt, dass man eben einfach nebeneinander her spielt ohne in wirklicher Konkurrenz zueinander zu treten. Daran ändert auch das „Man in Black“ Kartenset nichts, welches bei 2 Spielern verwendet wird. Hier wird am Ende des Spielzugs beider Spieler eine Karte vom Deck gezogen und die Anweisungen werden ausgeführt. So können die Spieler Verletzungen erleiden, Geld verlieren oder der „Man in Black“ greift den Spieler mit den meisten LPs an. Auch wenn der „Man in Black“ LPs bekommt, stellt er keine Konkurrenz dar.
Ich weiß nicht wirklich, was ich vom Kartenset halten soll, da es einfach kaum Einfluss auf den Spielverlauf hat.
Fazit
„Western Legends“ ist ein sehr schönes Spiel, welches allerdings auch weniger gute Punkte aufweist.
Ein wesentlicher Kritikpunkt meinerseits ist allerdings, dass es zwei zentrale Möglichkeiten gibt, um doch sehr schnell an LPs zu gelangen. Dies ist zum einen das Schürfen nach Gold und zum anderen das Varieté. Wenn man hier mit jemandem spielt, der diese Möglichkeiten wirklich bis aufs Letzte ausreizt, dann macht die Runde keinen Spaß und die einzige Chance ist es dann, den Spieler konsequent anzugreifen. In meinen Partien kam dies allerdings nie vor und wir haben es lediglich einmal zum Test gemacht. Diese Spielweise hat auch dem Spieler keinen Spaß gemacht, der es gemacht hat.
Was mir ebenfalls nicht richtig einleuchtet ist das Limit von 120 Dollar. Hier darf man nie mehr Geld, also auch nicht im Rahmen seiner Aktionsphase, haben. Restliches Geld wird nicht mehr ausgezahlt. Meine Vermutung ist, dass dies im Zusammenhang mit der Varieté-Aktion steht. Plausibel finde ich es allerdings nicht und eine Erklärung dafür hätte ich mir gewünscht.
Wie bei allen Spielen ist die Atmosphäre am Spieltisch von der Gruppe abhängig. Dies gilt hier allerdings noch mehr, da das Eintauchen in die Welt durch die Teilnehmer wesentlich zum Flair beiträgt.
Ansonsten macht das Spiel großen Spaß. Hierfür sorgen vor allem die mannigfaltigen Möglichkeiten die dazu führen, dass kein Spiel dem anderen gleicht, da man immer andere Wege einschlagen kann.
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